Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik
26.8. – 19.11.2023
Caspar David Friedrich revolutionierte die Landschaftsmalerei und seine Kunst wurde zum Inbegriff einer ganzen Epoche – der Romantik. Sein Malerfreund Johann Christian Dahl schrieb über ihn: «Friedrich wusste und fühlte sehr wohl, dass man nicht die Natur selber malt oder malen kann, sondern die eigenen Empfindungen – aber die müssen natürlich sein. Friedrich tat das auf seine eigene tragische Weise, die […] oft über die Grenzen dessen hinausging, was in der Malerei dargestellt werden kann.»
Das Leben des Künstlers
1774 – Caspar David Friedrich wird am 5. September als sechstes von zehn Kindern in Greifswald geboren. Seine Eltern sind Sophie Dorothea, geb. Behyl, und der Seifensieder und Kerzenmacher Adolf Gottlieb Friedrich.
1780 – Die Mutter stirbt als Caspar David sechs Jahre alt ist.
1787 – Der Bruder Johann Christoffer ertrinkt beim Versuch, den beim Schlittschuhlaufen im Eis eingebrochenen Caspar David zu retten – ein für diesen traumatisches Erlebnis.
1794 – Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen, die zu ihrer Zeit als eine der fortschrittlichsten Akademie in Europa gilt. Seine Lehrer gehören zu den besten dänischen Malern der Zeit: der Landschaftsmaler Christian August Lorentzen, der Portrait- und Landschaftsmaler Jens Juel sowie der Historienmaler Nicolai Abildgaard.
1798 – Ende des Studiums in Kopenhagen, Friedrich verbringt den Sommer in Berlin und zieht danach nach Dresden. Dort schreibt er sich an der Akademie ein. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Prospektmalerei.
1805 – Ohne sich an die gestellte Vorgabe zu halten, erhält Caspar David Friedrich auf Wunsch Goethes die Hälfte des ersten Preises beim Wettbewerb der Weimarer Preisaufgaben. Es ist dies seine erste öffentliche Anerkennung.
1808 – Weihnachten präsentiert Friedrich den Tetschener Altar, der enthusiastischen Zuspruch und empörten Widerspruch provoziert. Der sogenannte Ramdohr-Streit führt zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um die romantische Kunst.
1810 – Im Herbst präsentiert er seine beiden Bilder Mönch am Meer und Abtei im Eichwald auf der Berliner Akademieausstellung. Das Publikum ist begeistert, Clemens Brentano, Achin von Arnim und Heinrich von Kleist schreiben Rezensionen. Die Werke werden vom preussischen Kronprinzen erworben und er wird zum auswärtigen Mitglied der Königlichen Kunstakademie ernannt.
1818 – Am 21. Januar 1818 heiratet er – zur allgemeinen Überraschung – die knapp zwanzig Jahre jüngere Christiane Caroline Bommer. Die Hochzeitsreise bringt sie nach Greifswald, Wolgast, Stralsund und auf die Insel Rügen. In Herbst malt er die Kreidefelsen auf Rügen, die deswegen auch immer wieder als Hochzeitsbild interpretiert wurden.
1824 – Friedrich erkrankt schwer.
1833 – Auf der Kunst- und Gewerbeausstellung in Königsberg ist Friedrich mit neun Werken vertreten. Gleichwohl beginnt sein künstlerischer Ruhm abzunehmen. Eine neue Kunstepoche beginnt, der Realismus.
1835 – Friedrich erleidet einen Schlaganfall, was zu einer zeitweisen Lähmung der rechten Hand führt. Er kann zunächst wieder arbeiten, aber wendet sich vor allem dem Aquarell und der Sepiatechnik zu.
1837 – Ein zweiter Schlaganfall lähmt Friedrich fast vollständig. Er sieht sich gezwungen, die künstlerische Arbeit endgültig aufzugeben.
1840 – Friedrich stirbt am 7. Mai nach langer Krankheit und an den Folgen seiner Schlaganfälle in Dresden.
Friedrich stammte aus einfachen und religiös geprägten Verhältnissen. Nach seinem Studium in Kopenhagen zog er bald nach Dresden. Die Wahl für die Stadt an der Elbe war nicht zuletzt durch die reichhaltigen Kunstschätze und die Kunstakademie begründet. In diese wurde er zwar aufgenommen, erhielt aber nie die erhoffte Professur für die Landschaftsklasse.
Am Anfang seiner Karriere verdiente Friedrich sein Geld vor allem mit Veduten, das heisst Ansichten von Dresden und anderen Orten der Umgebung, die sich gut verkaufen liessen. Insbesondere Werke in Sepiatechnik, die zarte Abstufung von Schwarz- und Grauwerten ermöglicht, prägten seine frühen Jahre. Vorbild war hierbei der seit längerem in Dresden wirkende St. Galler Adrian Zingg, der für eine ganze Generation von Landschaftszeichnern prägend war.
1808 sorgte Friedrich mit seinem Tetschener Altar für einen handfesten Skandal, der im sogenannten Ramdohr-Streit mündete und Friedrich mit einem Schlag bekannt machte. Denn anstelle eines religiösen Gemäldes in traditioneller Manier präsentierte er eine Landschaft. Damit löste er einen bis dahin noch nie gesehenen Streit darüber aus, was ein Kunstwerk sei und was es abzubilden habe. Seine Gegner, allen voran der Kunstkritiker Basilius Ramdohr, empfanden es als «wahre Anmassung, wenn die Landschaftsmalerei sich in die Kirchen schleichen und auf Altäre kriechen will.» In dem Friedrich das Göttliche durch die Natur selbst darstellte, überwand er die etablierte Trennung der Bildgattungen und schuf ein Manifest des romantischen Naturgefühls.
Romantik und die Landschaftsmalerei
«Meine Erklärung des Worts Romantisch kann ich Dir nicht gut schicken, weil sie 125 Bogen lang ist», schrieb Friedrich Schlegel 1797 an einen Bruder August Wilhelm. Bis heute ist es kaum möglich, eine genaue Definition der Romantik zu geben, zu vielfältig, zu breit und widersprüchlich nimmt sich die Strömung aus.
Für eine Annäherung empfiehlt es sich, sie geografisch einzugrenzen und insbesondere von England und Frankreich zu unterscheiden. Auch der Fokus auf eine einzelne Gattung – die Malerei – hilft, weil in Literatur, Musik und Philosophie wiederum ganz eigene Konzepte entwickelt wurden, die jedoch allesamt mit der bildenden Kunst und untereinander verwoben sind und sich gegenseitig befruchten.
Festhalten lässt sich, dass sich in der Romantik, die in der Malerei ungefähr von 1789–1848 dauerte, eine neue Kunstauffassung durchzusetzen begann, welche die vorausgegangene Epoche der Aufklärung ablöste, die – geprägt von Immanuel Kant – stark auf die Vernunft und wissenschaftliche Ratio ausgerichtet war. In der Romantik begann man nun verstärkt, sich für das Irrationale und das Unheimliche zu begeistern. Hatte die Aufklärung den Boden für das Individuum bereitet, so richtete dieses nun zusehends den Blick nach innen, auf Gedanken und Gefühle, auf Geist und Seele. Hinzu trat eine Glorifizierung der Vergangenheit, wobei das Mittelalter der klassischen Antike den Rang ablief: Man sammelte alte deutsche Märchen und entdeckte die Schönheit und den Symbolgehalt gotischer Ruinen.
Das entfachte Interesse an Gefühlen und Leidenschaften förderte zudem ein verändertes Verständnis der Natur gegenüber, die nun auch symbolhaft verstanden und zur Projektionsfläche menschlicher Empfindungen gemacht wurde. Das Besondere und Ureigene der romantischen Kunst liegt nicht zuletzt in der neuen Erfahrung des Unermesslichen und Abgründigen. In der Malerei des 18. Jahrhunderts löste das Erhabene – etwa ein gemaltes Gewitter – bloss einen «angenehmen Schauer» aus, der in sicherer Distanz erlebt wurde. Dies schlägt in der Romantik um, insbesondere bei Caspar David Friedrich. Die Natur und ihre Wahrnehmung sind nun von existenziellem Charakter. In ihr offenbart sich die göttliche Absicht und in der Kontemplation darüber kann sich der Mensch dieser universellen Unendlichkeit annähern.
Vorboten der Romantik
Dass Friedrich nach dem Studium nicht nach Berlin, sondern nach Dresden zog, ist nicht zuletzt durch die reichhaltigen Kunstschätze der Stadt an der Elbe zu erklären. Im 18. Jahrhundert hatte der kunstsinnige Kurfürst August der Starke Dresden zu einer bedeutenden Kulturstadt erhoben, dass ihr den Beinamen Elb-Florenz einbrachte. Friedrich konnte hier die alten Meister, darunter die berühmte Sixtinische Madonna von Rafael, bewundern und gleichzeitig in ein durch Akademien gefestigtes Künstlerumfeld eintreten.
Wie überall in Europa kannte, schätzte und sammelte man auch in Dresden die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts, zu deren Spezialitäten die Landschaftsmalerei zählt. Auch wenn Friedrich eine völlig eigene Bildsprache entwickeln sollte, so zeugt sein Werk doch von einer genauen Auseinandersetzung mit diesen Pionieren der Landschaftsmalerei. An ihnen konnte er den Einsatz von Wolken und Wetter, Licht und atmosphärischen Stimmung studieren. So gehören auch bei ihm effektvolle Himmel und tiefe Horizonte, Vollmonde, einheimische Wälder und abgestorbene Bäume als Zeichen der Vergänglichkeit zum Repertoire, deren Massstäbe der niederländische Barock gelegt hatte.
Daneben war auch die Malerei des 18. Jahrhunderts für Friedrich von Bedeutung. Zwar hatte Friedrich angesichts der Napoleonischen Kriege eine ausgeprägte Abneigung gegen Frankreich entwickelt, doch ist es kaum denkbar, dass er sich nicht mit den Werken des wichtigsten Malers von Häfen und Küsten, Claude-Joseph Vernet, auseinandergesetzt hat. Auch der französisch-britische Maler Philippe Jacques des Loutherbourg prägte mit seinen dramatischen Landschaften, die nicht selten Zwielicht- und Nachtszenen zeigen, eine vorromantische Bildsprache, die in ganz Europa beliebt und bekannt war.
Einen ganz direkten Einfluss auf den jungen Friedrich hatte das Werk des gebürtigen St. Gallers Adrian Zingg, der 1766 nach Dresden berufen worden war. Er hatte seinen Ruf mit virtuosen, grossformatigen Sepia-Zeichnungen begründet, eine Technik, die Friedrich am Anfang seiner Karriere ebenfalls verfolgte und ihm eine erste Einnahmequelle war. Zingg hatte seine Ausbildung beim Landschaftsgraphiker Johann Ludwig Aberli in Bern genossen. Aberli war der Erfinder der damals europaweit populären sogenannten kolorierten Umrissradierung, also Graphiken, die mit Aquarell-Farben bemalt waren. Friedrich hatte sich bereits in jungen Jahren mit solchen Schweizer Graphiken auseinandergesetzt und die Verbindung von feinster Lineatur mit zartem Aquarell auch in seinen eigenen Zeichnungen beibehalten.
Zingg förderte nicht zuletzt die Entdeckung der heimatlichen Landschaft. Auch andere Maler wie Thiele hatten Dresden und sein Umland am Ende des 18. Jahrhunderts zum Thema ihrer Kunst gemacht, doch Zingg prägte mit seinen Ausflügen in die Umgebung eine ganze Generation junger Maler. Er gilt als einer der Entdecker, der heute noch als solche bekannten «Sächsischen Schweiz».
Sehnsuchtsort Schweiz
Caspar David Friedrich war ein begeisterter Wanderer. Zusammen mit Freunden, aber auch alleine unternahm er zeitlebens ausgedehnte Touren in die Umgebung, wobei in den frühen Jahren Rügen mit seinen Meeresküsten eine besondere Faszination bei ihm auslöste. Später zog es ihn vermehrt in bergige Gebiete, zunächst in das Umland von Dresden, insbesondere in die Sächsische Schweiz, und später ins Riesengebirge. Die Alpen hatte er nie mit eigenen Augen gesehen, aber er hat sie mit Hilfe von Studien von Freunden und Schülern gemalt. Eine erhoffte Schweizreise scheiterte wiederholt. Er kannte aber die Schweizer Landschaftsgraphik schon früh, nicht zuletzt vom Schweizer Adrian Zingg, der damals in Dresden den Studenten das Studium der einheimischen Natur propagierte. Zingg seinerseits hatte diese Praxis in Bern bei Johann Ludwig Aberli und später in Paris bei Johann Georg Wille beobachten können.
Friedrichs Malerei wurde gerne als nordische Landschaft beschrieben, denn sie unterscheidet sich ganz wesentlich von den heiter-hellen Ölstudien in italienischem Licht, die damals viele seiner Zeitgenossen auf ihren Reisen in den Süden schufen. Mit seinen nächtlichen Stimmungen, den oft düsteren Farben und einer Motivwelt, die sich ausschliesslich an der nordeuropäischen und alpinen Landschaft orientiert, bot er ein regelrechtes Kontrastprogramm zur damaligen Italienbegeisterung.
Friedrichs Weg nach Winterthur
Friedrich erfuhr während seines Lebens sowohl harsche Kritik als auch begeisterten Zuspruch. Er hatte am Anfang seiner Malerkarriere für Furore gesorgt und stand Mitte der 1810er Jahre auf dem Höhepunkt seiner Popularität, was sich in Mitgliedschaften, in Akademien und in Erwerbungen aus den höchsten Kreisen niederschlug. So gehörte der König von Preussen wie auch der russische Zar zu seinen Käufern. Im Laufe der Jahre hatte sich das Publikum jedoch an Friedrichs Bildsprache gewöhnt, frühe Förderer wie Goethe wurden zunehmend kritisch und allgemein sank das Interesse an seiner Kunst, die angesichts der sich anbahnenden Strömung des Realismus als gekünstelt und rührselig empfunden wurde.
Nach seinem Tod geriet Friedrich fast völlig in Vergessenheit, bis er Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Es war der norwegische Kunsthistoriker Andreas Aubert, der bei der Beschäftigung mit Dahl auf Friedrich stiess und ihn in mehreren Artikeln dem Fachpublikum vorstellte. Die wegweisende sogenannte Jahrhundertausstellung deutscher Kunst, die 1906 in Berlin stattfand, trug wesentlich dazu bei, zahlreiche deutsche Künstler des 19. Jahrhunderts wieder ins Bewusstsein der Kunstwelt zu rücken. Diese war damals stark auf Frankreich und dessen Impressionismus ausgerichtet. Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge wurden als Vorläufer der Moderne interpretiert. Damit etablierte sich eine neue Sicht auf die Malerei der Romantik.
Oskar Reinhart, der dieses Museum begründet hat, hatte diese Ausstellung damals besucht und war in engem Austausch mit dem legendären Kunsthistoriker Julius Meyer-Graefe, der die Ausstellung mitkonzipiert hatte. In den Folgejahren erwarb Reinhart mehrere Werke der Ausstellung und erweitere seine Sammeltätigkeit in diese Richtung. So befindet sich heute in Winterthur eine der bedeutendsten Sammlungen zur deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, deren Herzstücke die Werke von Caspar David Friedrich darstellen.
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