Geschichten in Gesichtern
Porträt und Tronie in der niederländischen Kunst
11.3. – 5.11.2023 | Reinhart am Stadtgarten
Als ein « Spiegel des Geistes » bezeichnete der niederländische Kunsttheoretiker und Maler Samuel van Hoogstraten das menschliche Antlitz. Sogar den Charakter eines Menschen meinte er an dessen Zügen ablesen zu können. Auch in der Malerei spielen Gesichter eine wichtige Rolle. So spiegeln die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden gemalten Gesichter im individuellen Porträt beeindruckend viele Facetten menschlicher Physiognomie. Wie sie im einzelnen die Lebenswirklichkeit einer dargestellten Persönlichkeit wiederzugeben trachten, so können sie im Verbund die Geschichte einer ganzen Gesellschaft widerspiegeln.
Das menschliche Antlitz wurde unabhängig von der repräsentativen Aufgabe der Bildniskunst zum Thema in der holländischen Barockmalerei. Als markante Charakterköpfe mit ausgeprägten Gesichtszügen etablierte sich ein neuer Typus von Figurenbildern: die Tronie, was soviel wie Kopf, Gesicht oder Miene bedeutete. Alte und junge Menschen in schlichter Kleidung oder extravaganten Kostümen bis hin zur Selbstdarstellung eines Künstlers waren die bevorzugten Sujets, ohne dass die Dargestellten auf eine bestimmte Rolle und Identität festgelegt waren.
Tronien dienten den Künstlern als Studienköpfe, wurden aber auch als eigenständige Bildschöpfungen für den Kunstmarkt geschaffen. Im Gegensatz zu den Standesporträts, die als Auftragswerke Status und Rang der Modelle inszenieren, loten Tronien das Spektrum menschlichen Ausdrucks aus. Ihre Realitätsnähe und Unmittelbarkeit sind von geradezu zeitloser Gültigkeit, welche die virtuos gemalten Gesichter auch heute reizvoll und aktuell erscheinen lässt.
In der Kabinett-Ausstellung wird Jacob Backers (1608–1651) jüngst erworbenes Bildnis eines Knaben mit Axt erstmals gezeigt. Dieses hervorragend erhaltene Gemälde erweitert die Museumsbestände um ein Meisterwerk eines bedeutenden Künstlers aus dem Rembrandt-Umfeld. Darum gruppieren sich Gemälde von Künstlern wie Ferdinand Bol, Samuel van Hoogstraten und Jan Lievens, die in vielschichtigem Bezug zu einer erlesenen Auswahl von Historien-, Genre- und Selbstdarstellungen Rembrandts präsentiert werden.
Kuratorin: Andrea Lutz
Impressionen der Vernissage
Mit freundlicher Unterstützung