Kunst und Krieg – Eine Einführung
Der Krieg gehört zu den ältesten Phänomenen menschlicher Konfliktbewältigung. Seit prähistorischer Zeit gehörten bewaffnete Auseinandersetzungen zur Lebenswelt der Menschen, und bis heute sind Kriege Teil der täglichen Weltpolitik. Der Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt dies in trauriger Aktualität. Und natürlich bleiben auch die Künstlerinnen und Künstler von den Kriegen nicht unberührt. Viele von ihnen haben diese militärischen Konflikte als Opfer erlebt, sie haben darüber gelesen, gesprochen und nachgedacht, und einige von ihnen waren selbst an der Front, als Berichterstatter oder als Soldaten. Diese Ausstellung fragt danach, wie sie darauf reagierten und welche Mittel und Möglichkeiten sie fanden, mit diesem gewaltsamen Phänomen umzugehen. In einem Parcours durch die Jahrhunderte soll anhand ausgewählter hochkarätiger Beispiele aufgezeigt werden, wie die Kunstschaffenden das im Grunde nicht Darstellbare bewältigten und zu kreativen Lösungen fanden.
Lange Zeit hatten Kunstschaffende gute Verdienstmöglichkeiten darin gefunden, die Kriege ihrer Herrscher heroisch ins Bild zu übertragen. In grossen Gemälden und Denkmälern wurden Schlachten, Siege und Feldherren gefeiert und monumental in Szene gesetzt. Der Krieg war also nicht nur Zerstörung und Schrecken, sondern lieferte auch einen Kontext für Aufträge und Bestellungen. Freilich musste dabei den Wünschen und Sichtweisen der Auftraggeber Rechnung getragen werden – es galt, deren Sichtweise auf die Geschichte ins Bild zu setzen.
Diesen verherrlichten Heldenbildern standen die erlebten Schicksale der Soldaten und der Zivilbevölkerung gegenüber. Als einer der ersten setzte sich Jacques Callot während des Dreissigjährigen Krieges mit dessen realen Auswirkungen auseinander. In seinen wegweisenden Misères de la Guerre von 1633 werden das Leben der Soldaten und die Folgen des Krieges auf die Bevölkerung, insbesondere auf die Bauern, in einer Kupferstichserie thematisiert. Sie erzählen also eine andere Geschichte, nicht die der Gewinner, sondern der Verlierer.
Auf Callot folgten im Verlauf der Jahrhunderte unzählige Künstlerinnen und Künstler, die sich bald kritisch, bald dokumentarisch mit dem Unschönen und Grässlichen auseinandersetzten – und dabei zu neuen Formen des Ausdrucks fanden.
Die Ausstellung beleuchtet diese Seite der künstlerischen Verhandlung des Krieges. Sie zeigt nicht die propagandistischen Schlachtengemälde, sondern fragt nach den sich davon absetzenden, kreativen Zugängen, gleichsam mit Blick von unten, auf Augenhöhe mit den Opfern. Gerade weil die Gefechte, Kämpfe, Bombardierungen und das Sterben so grausam und schrecklich sind, weil sie eine extreme psychische und physische Erfahrung darstellen, sahen sich die Kunstschaffenden gezwungen, einen subjektiven Umgang damit zu finden.
Dabei zeigt sich, dass insbesondere die Form der Serie zu einem bevorzugten Mittel der bildlichen Interpretation katastrophaler Ereignisse und zur Bewältigung des Schrecklichen eingesetzt wurde. So setzen sich die Misères de la Guerre von Jacques Callot aus 18 verschiedenen Darstellungen zusammen. Wie es scheint, eignete sich die Ausarbeitung in mehreren Bildern besonders gut, um sich des Schrecklichen anzunehmen – ein Bild genügte also meist nicht, sondern das Gesehene musste in mehreren verschiedenen Auseinandersetzungen verarbeitet werden. Diese meist kleinformatigen Bilderreihen stehen damit dem einzelnen Grossformat des Ölgemäldes gegenüber, das die Erzählung auf einen Sieg, eine Schlacht oder einen Heroen konzentriert.
Auch im Format setzt sich die druckgraphische Serie von den Schlachtengemälden und Herrscherinszenierungen ab. Während das überdimensionale Unikat Fakten schaffen und mit Bildgewalt überzeugen will, kann die kleine Druckgraphik auf Papier in die Hand genommen, zuhause aufbewahrt und unter der Lupe betrachtet werden. Entsprechend zielen Druckgraphiken auf die einzelne Betrachterin und das individuelle Schauen. Die Reflektion und Interpretation über das Geschehene werden so nicht in aller Öffentlichkeit vorgeführt, sondern in die Hand des Betrachters gelegt. Durch ihre Vervielfältigung erreicht die Druckgraphik auch sehr viel mehr Menschen an unterschiedlichen Orten, als es das Gemälde in einem Schloss oder ein Denkmal auf einem Platz tun kann.
Das Subjektive wird zusätzlich durch den Umstand unterstrichen, dass viele der Kriegsserien von den Künstlerinnen und Künstlern aus eigenem Antrieb heraus geschaffen wurden. So gilt Dürers Apokalypse als erstes Künstlerbuch der Geschichte, weil er es ganz eigenständig entwickelt und vertrieben hat – ohne Auftrag, mit dem alleinigen Risiko bei ihm. Auch Goya schuf seine Desastres de la Guerra (1810–1814) ganz im Privaten: sie waren ihm ein Ausweg, mit dem unsäglichen Widersprüchen des Krieges umzugehen – publiziert wurden sie erst Jahrzehnte nach seinem Tod.
So unzählig wie die Kriege im Verlauf der Jahrhunderte waren, so unzählig sind auch die Bilder dazu. In der Kunstgeschichte gibt es mannigfaltige Beispiele grossartiger Kunst, die mit dem Krieg in Verbindung stehen, sei es Leonardo da Vincis Schlacht von Anghiari oder Pablo Picassos Guernica.
Der Krieg hat viele Gesichter, die meisten von ihnen sind grässliche Fratzen – dass daraus aber auch wieder Neues, Kreatives entstehen kann, wie es diese Ausstellung zeigen will, mag dabei vielleicht ein kleiner Trost sein.