Geschichten in Gesichtern
Porträt und Tronie in der niederländischen Kunst

11.3. – 5.11.2023 | Reinhart am Stadtgarten

Medienorientierung

Donnerstag, 9. März 2023, um 11 Uhr (zur Anmeldung) oder individuelle Führung auf Anmeldung unter kommunikation@kmw.ch / telefonisch unter 052 267 51 77

Kunst Museum Winterthur | Reinhart am Stadtgarten
Stadthausstrasse 6, 8400 Winterthur

Das Kunst Museum Winterthur präsentiert sein neu erworbenes Meisterwerk Knabe mit Axt von Jacob Backer. Der bedeutende Porträtmaler aus dem Rembrandt-Umfeld hat die Figurenmalerei im holländischen Barock massgeblich mitgeprägt und bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung Geschichten in Gesichtern.

Als ein «Spiegel des Geistes» bezeichnete der niederländische Kunsttheoretiker und Maler Samuel van Hoogstraten das menschliche Antlitz. Seiner Darstellung in der Malerei ist die Ausstellung Geschichten in Gesichtern gewidmet. Denn seit der Wiederentdeckung des Menschen als eigenständighandelndes Wesen in der Renaissance blühte in Europa die Porträtmalerei als künstlerische Kategorie. In den Niederlanden kam es im 17. Jahrhundertzu einer nie dagewesenen Nachfrage nach individuellen Bildnissen, die das durch sozialen Aufstieg und politische Freiheiten neu gewonneneSelbstverständnis des Bürgertums dokumentieren. Die Kundschaft wünschte ihre Stellung inner­halb der Familie, einer Berufsgruppe oder im öffentlichen Leben ins Bild gesetzt. Die Vielfalt der Porträttypen reichte von Standesporträts wie Ehepaar-, Familien- und Kinderbildnissen bis hin zu Kostüm- und historisierenden Rollenporträts. So spiegeln die im 17. Jahrhundert in den Nieder­landen gemalten Gesichter im individuellen Porträt beeindruckend viele Facetten menschlicher Physiognomie. Wie sie im Einzelnen die Lebenswirklichkeit einer dargestellten Persönlichkeit wiederzugeben trachten, so widerspiegeln sie im Verbund die Geschichte einer ganzen Gesellschaft.

Das menschliche Antlitz wurde unabhängig von der repräsentativen Aufgabe der Bildniskunst zum Thema in der holländischen Barockmalerei. Als markante Charakterköpfe mit ausgeprägten Gesichtszügen etablierte sich ein neuer Typus von Figurenbildern: die Tronie, was soviel wie Kopf, Gesicht, Fratze oder Miene bedeutete. Alte und junge Menschen in schlichter Kleidung oder extravaganten Kostümen bis hin zur Selbstdarstellung eines Künstlers waren die bevorzugten Sujets, ohne dass die Dargestellten auf eine bestimmte Rolle und Identität festgelegt waren. Die Modelle bleiben anonym und stellen einen bestimmten Figurentypus oder Charakter dar. Tronien dienten den Künstlern als Studienköpfe und Vorlagen für mehrfigurige Kompositionen, wurden aber auch als eigenständige Bildschöpfungen für den Kunstmarkt geschaffen. Im Gegensatz zu den Standes­porträts, die mehr oder weniger formellen Darstellungsvorgaben folgen und als Auftragswerke Status und Rang der Modelle inszenieren, loten Tronien das Spektrum menschlichen Ausdrucks aus. Ihre Realitätsnähe und Unmittelbarkeit sind von unverkennbarem Gehalt, der die virtuos gemalten Gesichter auch heute noch modern erscheinen lässt.

In der Ausstellung Geschichten in Gesichtern gruppieren sich um Backers Knabe mit Axt weitere Gemälde von bedeutenden Künstlern wie Ferdinand Bol, Samuel van Hoogstraten und Jan Lievens, die in spannendem Bezug zu einer erlesenen Auswahl von Historien-, Genre- und Selbstdarstel­lungen Rembrandts präsentiert werden.