Sung Tieu
One Thousand Times
16.9. – 19.11.2023 | Beim Stadthaus
Medienorientierung zur Ausstellung mit der Künstlerin am Donnerstag, 14. September 2023, 11 Uhr oder individuelle Führung auf Anmeldung
Kunst Museum Winterthur
Beim Stadthaus
Museumstrasse 52
8400 Winterthur
Das Schaffen der in Berlin lebenden Künstlerin Sung Tieu ist geprägt von ihrer persönlichen Migrationserfahrung von Vietnam nach Europa. Für ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz konzipiert die Künstlerin eigens eine raumgreifende Installation, die sich in mehrere inhaltliche Kapitel aufgliedert.
Gedanklicher Ausgangspunkt für das Schaffen der in Berlin lebenden Künstlerin Sung Tieu, geboren 1987 in Vietnam, ist die Anwerbung vietnamesischer Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter durch die Deutsche Demokratische Republik bzw. die prekäre Situation dieser Migranten nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Infolge ihrer persönlichen Familiengeschichte begann sich die Künstlerin, mit den komplexen sozialen und politischen Auswirkungen dieser spezifischen Migrationsmisere zu beschäftigen. In ihrem Werk überlagern sich daher unterschiedliche Aspekte von Ökonomie, Arbeit, Regulierung von Wohnraum, staatlicher Kontrolle der Privatsphäre. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht dabei die monströse Plattenbausiedlung Gehrenseestrasse in Berlin, in der die Künstlerin einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatte. Zu DDR-Zeiten war diese Überbauung mit rund 1000 Wohnungen eines der grössten Wohnquartiere für vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter. Seit 2003 steht der Komplex leer und wurde Jahre später an private Immobilienfirmen verkauft. Demnächst wird er abgerissen, um im überhitzten und von der Spekulation geprägten Wohnungsmarkt Berlins einem neuen Hochhausquartier Platz zu machen.
Sung Tieu verschränkt biografische Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen und ökonomischen Entwicklungen, die sich in der Geschichte dieser Wohnsiedlung und ihren Bewohnenden spiegeln. Ihre Werke basieren auf jahrelanger systematischer Archivarbeit und verdichten sich zu atmosphärisch eindrücklichen Rauminstallationen, architektonischen Interventionen, Archivalien, Zeichnungen und Videos. Formal lehnen sie sich an der Ästhetik von Minimal Art und Konzeptkunst an. Deren Autonomieanspruch scheint im Widerspruch zum politisch-narrativen Ansatz der Künstlerin zu stehen, repräsentiert jedoch eine Form des kritischen Engagements, das den überlieferten Glauben an die Autonomie der Kunst und deren Interpretation grundsätzlich in Frage stellt.
Sung Tieu war bereits in der Ausstellung Welt aus den Fugen im Kunst Museum Winterthur präsent. Ihre Einzelausstellung mit dem Titel One Thousand Times ermöglicht nun einen vertieften Einblick in ihr aktuelles Schaffen.
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Nürnberg. Gemeinsam erscheint Ende Oktober 2023 im Snoeck Verlag eine Publikation, welche das umfassende Recherchematerial der Künstlerin dokumentiert.